Prof. (FH) Dr. Claudia Van der Vorst

Stv.Studiengangsleiterin Wirtschaftsingenieurwesen

"Um zu verstehen, was Technik ist, muss man sie erleben."

Prof. (FH) Dr. Claudia Van der Vorst ist stellvertretende Studiengangsleiterin des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen. In einer von Männern dominierten Branche hat sie sich behauptet. Ein Interview über Frauen in der Technik damals und heute.

>> Claudia, du leitest stellvertretend den Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen an der FH Kufstein Tirol. Hat dich Technik schon immer interessiert?

Ja, deswegen habe ich in der Realschule auch den naturwissenschaftlichen Zweig gewählt. Ich wollte zwar auch mal Bäckerin werden, aber meine Großeltern, bei denen ich aufgewachsen bin, haben mir davon abgeraten nachdem ich auf drei technische Bewerbungen drei Angebote bekommen habe. Ich habe mich dann für Informationselektronik bei der IBM Deutschland GmbH entschieden und im ersten Lehrjahr Mechanik, Feilen, Drehen, Fräsen, Metallverarbeitung und Grundlagen in der Elektronik gelernt.

>> Wie viele Frauen wart ihr damals, die sich für den technischen Bereich interessiert haben?

Von 700 Schülern in den metallverarbeitenden technischen Berufen auf der Berufsschule waren vier Frauen. Ich war also schon eine Exotin. Die Gleichaltrigen und Ausbilder konnten damit umgehen. In der Firma gab es aber Vorbehalte. „Ich dachte ich bekomme einen Lehrling und jetzt kommt ein Mädchen, was soll ich damit?“ – solche Sätze sind öfter gefallen. Die Frauen, die ich kennengelernt habe, haben alle schnell abgeschlossen, ob die Schule, das Studium oder das Doktorat – trotz Doppelbelastung mit Kindern.

>> Wie war die Situation bei dir am Arbeitsplatz?

Später in der IT-Beratung bei der Accenture GmbH, bei der ich 17 Jahre gearbeitet habe, war alles amerikanisch geregelt: Das Gehalt, die Beförderung und die Bewertungen waren gleich berechtigt und ohne Unterschied. Aber die Gender-Frage war trotzdem noch Thema und wurde, für den angelsächsischen Raum typisch, auch sehr gepuscht. Auf internationalen Konferenzen gab es zum Beispiel ein Women’s Breakfast. Ich kam mir dann immer vor wie am Kindertisch. Damit hat man aus meiner Sicht keine größere Gleichberechtigung erreicht – im Gegenteil.

>> Wie bewertest du die Situation heute?

Eine Frau im technischen Bereich fällt auf, egal wo sie ist. Das hat Vor- und Nachteile. Ich hatte immer das Gefühl, dass man sich am Anfang erst einmal beweisen muss. Wenn‘s aber dann läuft, läuft es auch und man kann sich ein sehr gutes Standing erarbeiten. Dieses Phänomen gibt es übrigens auch umgekehrt. Im Kindergarten meiner Kinder haben zwei Männer angefangen, auf die am Anfang jeder geschaut hat. Heute arbeiten mehr Frauen als früher in technischen Bereichen. Trotzdem sind sie mit unter 20 Prozent noch eine Minderheit. Und das spiegelt sich leider auch in meinen Kursen wider. Aber die, die sich für Technik interessieren, sind dafür dann meist extrem gut.

>> Wie kann das Interesse bei Frauen geweckt werden, was kann eine FH dazu beitragen?

Das Erleben, die positive Verknüpfung, macht extrem viel aus. Wir haben Veranstaltungen, wie zum Beispiel „Digitalisierung zum Anfassen“, gemacht, die die BesucherInnen emotional fesseln. Wir haben auch ein Ferienprogramm für Schulkinder entwickelt. In den Sommerferien haben die Kinder eine Seilbahn gebaut, motorisiert und beleuchtet und auch mit dem 3D-Drucker gearbeitet. So verknüpfen sie etwas Positives mit dem Schlagwort Technik. Mathe-, Physik- oder Chemieprüfungen hingegen schrecken viele eher ab. Themen wie Programmierung sprechen viele an, das omnipräsente Handy tut sein Übriges. Auch unter modernen Schlagworten wie Smart Home können sich viele mehr vorstellen: Wenn man über sein Handy das Fenster öffnen will, braucht das Fenster natürlich einen Motor.