Die Veranstaltung "Smarte Produkte & Smarte Systeme" am 16.11.2017 an der FH Kufstein Tirol
Foto collage

Daten erlebbar machen: „Smarte Produkte & Smarte Systeme“ liefert faszinierende Antworten

19.11.2017 | Research
Der Sexappeal von Maschinenbau, ein digitaler Waschraum und der smarte Anbau von Pflanzen - Die Tagung „Smarte Produkte & Smarte Systeme“ an der FH Kufstein Tirol widmete sich den Herausforderungen der Digitalisierung für Unternehmen.

Neben der fortschreitenden Digitalisierung des Alltags stehen auch Unternehmen gewissermaßen im Zugzwang. Aktuell befinden sie sich an einer Schwelle, die Vernetzung zieht direkt in die Produkte ein und macht sie smart. Das führt zu nochgrößeren Veränderungen und stetig wachsenden Datenmengen. Die diesjährige Ausgabe der Tagungsreihe „Smarte Produkte & Smarte Systeme“ an der FH Kufstein Tirol setzte einen Schwerpunkt auf den Veränderungsbedarf in Unternehmen.

Maschinen mit dem Smartphone entstehen lassen

Welche Vorteile Augmented Reality bei der Aufbereitung großer Datenmengen bringen kann, zeigte Andreas Fasching eindrucksvoll. Der Area Manager Austria des amerikanischen Technologiekonzerns PTC ließ in seinem Vortrag zur Digitalen Transformation geometrische Zeichnungen auf einem Blatt Papier dreidimensional auf seinem Smartphone darstellen und bediente sie vor dem staunenden Publikum.

Die gezeigte Anwendung hat PTC-Chef James E. Heppelmann gemeinsam mit Harvard-Professor Michael E. Porter in der Fachzeitschrift Harvard Business Review veröffentlicht. Mit einem auf Papier ausgedruckten Plan und der von Fasching vorgeführten App lässt sich über die Smartphonekamera eine Zeichnung scannen auf der dann dreidimensionale Maschinen und Roboter entstehen, die jede:r Nutzer:in selbst bedienen kann.

Digitalisierung macht den Maschinenbau wieder „sexy“

„Das ist eine Möglichkeit, Maschinenbau wieder sexy zu machen“, gab sich Fasching zufrieden. „Aktuell fehlen noch Expert:innen auf dem Markt, die die Verknüpfung zwischen digitaler und physischer Welt kennen.“ Wichtig sei es dabei, die Fachkräfte in den Kontext zu bringen und mit beiden Welten vertraut zu machen, so wie es der neue Masterstudiengang Smart Products & Solutions seit Herbst 2017 angeht. Die Verknüpfung beider Welten hat sich PTC zur strategischen Aufgabe gemacht, mit entsprechenden Kompetenzen in der digitalen Welt, in der das Unternehmen seine Herkunft hat.

Fasching wies darauf hin, dass die gespeicherten Datenmengen exponentiell wachsen. Die größte Herausforderung dabei sei es, die Informationen entsprechend aufzubereiten und zu visualisieren. Möglichkeiten seien sogenannte digitale Zwillinge oder, wie vorgeführt, Anwendungen Erweiterter oder Virtueller Realität, die die relevanten Daten in dreidimensionaler Gestalt an den entsprechenden Orten aufzeigen und so das Potenzial haben, Prozesse zu vereinfachen. Anwendungen würden Kunden von PTC aktuell erproben um beispielsweise praktikable Lösungen für Reparaturarbeiten zu bekommen.

Mehr als 150 Gäste waren gebannt von Faschings Vortrag. Veranstalter Asc. Prof. (FH) Dr. Peter Affenzeller begrüßte die Interessierten sowie die drei Vortragenden im Festsaal der FH Kufstein Tirol. Der Leiter der Studiengänge Wirtschaftsingenieurwesen und Smart Products & Solutions erhielt für die dritte Veranstaltung der Reihe „Smarte Produkte & Smarte Systeme“ am 16.11.2017 Unterstützung unter anderem von der Wirtschaftskammer Bezirksstelle Kufstein, der Standortagentur Tirol und der Innovationsplattform Kufstein i.ku.

Micro Farming im Aufschwung

Dipl.-Ing. Andreas Bursian, Senior Director Innovation beim weltführenden Hersteller von Chip-Testmaschinen Multitest elektronische Systeme GmbH, erklärte den BesucherInnen die Vierte Industrielle Revolution. Diesen Veränderungsprozess, der gerade weite Teile der Arbeits- und Lebenswelt stark beeinflusst, beschrieb Bursian in seinem Vortrag „Wie IoT und Industrie 4.0 unsere Welt verändern“. Er führte eine Schätzung an, nach der es in den nächsten zwei Jahren rund 50 Milliarden vernetzte Produkte geben wird, seien es Smartphones, Autos oder Gegenstände, bei denen wir uns das heute noch gar nicht vorstellen können. Den größten Zuwachs in diesem Bereich orten Expert:innen derzeit im Bereich Micro Farming, also der smarten Aufzucht von Tieren und Pflanzen sowie in der Medizin, so Bursian.

Eine zukünftige Herausforderung sieht er in der sich aufhebenden Limitierung der Datenmengen. Umso wichtiger würden Algorithmen, die die Informationen auswerten. Außerdem stünde die Künstliche Intelligenz vor einem Revival, würde es doch selbstlernende Mechanismen brauchen, um die zu verarbeitenden Menge bewältigen zu können. Beeindruckend sei dabei vor allem die exponentiell immer schneller werdende Entwicklung, die auch Bereiche, wie das Sozialsystem oder die Sicherheit nachhaltig verändern werde. Gerade diese Geschwindigkeit werde häufig unterschätzt. Bursian stellte dem Publikum dazu die Frage „Glauben Sie, dass es bis 2025 ein Auto gibt, das aus dem 3D-Drucker kommt?“, um sogleich anzumerken: „Ich kann es ihnen nicht beantworten.“

Anpassen, nicht Anschluss verpassen

Bursians Fazit auf die rasante Entwicklung der Digitalisierung ist die Bereitschaft immer anpassungsfähig zu bleiben. Für sein Unternehmen warf er einen Blick in die Zukunft: In dieser sehe er eine Smart Factory, in der Operator weitestgehend durch Roboter ersetzt würden und Maschinen Daten zu Wartung, Produktion oder Füllstand in eine Cloud liefern würden. Über die Auswertung eines Algorithmus wäre die Verbesserung einzelner Prozesse das Ziel.

Chefsache Nr. 1: der digitale Waschraum

Ing. Christian Aigner stellte den digitalen Waschraum der Hagleitner Hygiene International GmbH vor. Zunächst stellte der Leiter Vertrieb und Organisation Hagleitner senseMANAGEMENTdie rhetorische Frage, warum man einen Seifenspender eigentlich mit Technologie aufrüsten müsse, um im weiteren Verlauf die Vorteile aufzuzeigen. Zum einen seien die Sensoren wesentlich günstiger als noch vor ein paar Jahren, zum anderen profitiere das Unternehmen von stark vereinfachten Prozessen und neuen Geschäftsmodellen. So können Seife und Seifenspender beispielsweise nach Verbrauch verrechnet und nach Bedarf automatisch geliefert werden. Die Vision eines digitalen Waschraums enthalte unter anderem auch eine flexible und individuelle Information über Smart Devices, die zum Beispiel nach Bedarf den nächsten Waschraum mit Entfernung und Wegbeschreibung anzeigen, dessen Ausstattung den aktuellen Wünschen entspricht.

Es reiche aber nicht, die Vernetzung als wichtige Neuerung zu erkennen. „Die Geschäftsführung muss die digitale Transformation zum Thema Nummer Eins machen. Bei uns war das zum Glück so“, erklärte Aigner am FH-Campus. Die aus seiner Sicht größte Herausforderung dabei sei es, die Menschen mitzunehmen. Das betreffe sowohl die Ausstattung mit entsprechenden Arbeitsmaterialien, wie zum Beispiel Smartphones, Tablets und ähnlichem. Zum anderen sei es aber auch wichtig, die MitarbeiterInnen mit der digitalen Welt vertraut zu machen. So seien die meisten zwar privat in sozialen Netzwerken aktiv, würden sich aber nicht zutrauen auch beruflich damit zu arbeiten.

Präsentationen zu den Vorträgen:

Mit freundlicher Unterstützung von: