Feinjustage mit Augenmaß – optimale Prozesse, verlangen nach optimal abgestimmten Systemen (Foto: Martina Draper)
Feinjustage mit Augenmaß – optimale Prozesse, verlangen nach optimal abgestimmten Systemen (Foto: Martina Draper)

Praktisches Trockentraining statt trockene Theorie

14.10.2013 | Allgemein
Studierende des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen an der FH Kufstein Tirol sammeln Praxis in der wohl kleinsten Fabrik der Welt, denn im WING-Labor steht unter anderem die Laborfabrik MPS-500 von Festo. Mit ihr wird Theorie erlebbar gemacht – ein Vorteil beim Start ins Berufsleben.

Passieren in der Industrie Fehler, kann das ungeliebte Folgen haben: Die Anlage steht, die Produktion stockt und die Kosten steigen. Umso wichtiger ist, dass künftige Fachkräfte schnell Lösungen parat haben und für alle Eventualitäten gerüstet sind – Eventualitäten, die sie im Idealfall schon während ihrer Ausbildung einmal durchgespielt haben. Der Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen an der Fachhochschule Kufstein Tirol setzt deshalb schon ab dem ersten Semester auf praktisches Trockentraining. Ein beliebter „Sparringpartner“ ist das modular aufgebaute Lernsystem MPS-500 von Festo, das helfen soll, Produktionsabläufe abzubilden und zu optimieren.

Symbiose aus Technik und Wirtschaft

Seit drei Jahren gibt es an der FH Kufstein Tirol den Bachelor-Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen  mit der Vertiefung in Prozesstechnik, der sich als Bindeglied zwischen Wirtschaft und Technik versteht. Rund 70 Prozent Technik und 30 Prozent Wirtschaft – so lautet die Aufteilung im Studienplan. „Im Mittelpunkt steht das Produkt, das in seinem gesamten Prozess studiert und analysiert wird – vom Prototypen bis zum Endprodukt, von der Materialwirtschaft über die Transportlogistik bis zum After Sales Management“, sagt Prof. (FH) Dipl. Ing. Dr. Doris Wall, stellvertretende Studiengangsleiterin. Mit ihrem Team aus erfahrenen Lehrenden und Fachkräften aus der Praxis bildet sie derzeit rund 90 Studierende aus, die später in Projektmanagement, Produktentwicklung oder Produktionsplanung tätig sind. Mehrere Vertiefungsrichtungen stehen während des Studiums zur Auswahl: Prozesstechnik, Energietechnik und technische Gebäudeausrichtung.

Wie flexible Fertigung aussieht

Damit der Berufseinstieg einfacher wird, legt man beim Studiengang schon ab dem ersten Semester großen Wert auf Praxis. „Bis zu 20 Prozent beträgt der Praxisanteil in unserem Studienplan“, erklärt Wall. Um Produktionsabläufe möglichst realitätsnah darstellen zu können, hat der Studiengang in die Übungsstation MPS-500 von Festo investiert. Die Laborfabrik setzt sich aus mehreren Bereichen zusammen, die über das Transportsystem miteinander verknüpft sind und an deren Ende ein fertiges Produkt steht: ein Kurzhubzylinder.

Die Stationen im Überblick: Zu Beginn des Prozesses werden der Anlage über einen Silo verschiedenfärbige Zylindergehäuse zugeführt und vereinzelt. Danach folgt deren Bearbeitung – z.B. die Simulation eines Bohrprozesses. Zur Qualitätssicherung werden die Teile mit Hilfe eines Kamera-Systems überprüft. Passen die Spezifikationen, kommt es zur automatisierten Montage mittels eines Industrieroboters. Die Werkstücke werden unter anderem gewendet, verschlossen und danach in der Station Hochregallager zwischengelagert, bevor sie letztendlich zur Auslieferung kommen.

Das Live-Erlebnis zählt

Mit der MPS-500 kann das Zusammenwirken von Mechanik, Pneumatik, Elektrik, Steuerungstechnik und Kommunikationsschnittstellen analysiert, durchschaut und verinnerlicht werden – beste Voraussetzungen für vernetztes Denken und richtiges Handeln. Darüber freut sich auch Ing. Markus Erlenbach, Laborleiter des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen: „Im Theorie-Unterricht bekommen unsere Studierenden beispielsweise vermittelt, was ‚Kanban‘ ist. In der Lernfabrik können sie das praktisch umsetzen und live erleben. Unser Ziel ist es, trockenen Stoff mit Emotionen und Erfahrungen zu versehen.“

Eingesetzt wird die Übungsstation von Festo im Studienalltag deshalb so oft wie möglich – vor allem in den Bereichen Produktions- und Fertigungstechnik, Logistik sowie Innovationsmanagement. Aber auch für Fallstudien- und Forschungsprojekte wird MPS künftig zum Einsatz kommen.

Im Fokus: Das große Ganze

„Die Station passt perfekt zu unserem Studiengang, da sie technische und wirtschaftliche Zusammenhänge aufzeigt: Einerseits erwerben unsere Studierenden auf den einzelnen Anlagenbereichen die nötigen technischen Skills. Andererseits werden ihre Kompetenzen in Hinblick auf Prozess- und Fertigungsstrategien geschärft“, sagt Doris Wall, stellvertretende Studiengangsleiterin, die schon bald von ihrem ersten Jahrgang Abschied nehmen muss, denn die ersten 30 Absolventen sind diesen Herbst bereits ins Berufsleben eingestiegen. „Fachkräfte, die den Gesamtprozess im Fokus haben, und wissen, wie sich Fehler im Prozess auswirken und wie man sie beheben kann“, wie Wall betont. Damit Stillstand in der Produktion zum Fremdwort wird.