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Smarte Revolution: Wenn die Skipiste plötzlich selbst denkt

  • 01.07.2025
  • Forschung
Gruppenbild mit 4 Personen und einem Aufnahmegerät in der Mitte | © FH Kufstein Tirol
© FH Kufstein Tirol

Sophia Brockschmidt, MSc, Bernarda Keßler, BSc, Bernhard Mandl, MSc, und Prof. (FH) Dipl.-Ing. Thomas Schmiedinger, PhD (v.l.n.r.) auf der Dachterrasse der FH Kufstein Tirol mit der im Projekt Intelligente Skipiste entwickelten Wetterstation im Vordergrund.

Wie misst man die Qualität einer Skipiste? Ein Forschungsteam der FH Kufstein Tirol hat eine zündende Idee mit großer Wirkung. Ihr Ziel: sicherere Pisten, weniger Energieverbrauch und ein smarter Wintertourismus. Doch der Weg dorthin ist alles andere als leicht …

Eine gute Pistenqualität ist ein wichtiger Entscheidungsfaktor für Wintersportler:innen – nicht nur, was die Wahl des Skigebiets betrifft, sondern auch in Sachen Sicherheit auf der Abfahrt. 

Doch wie lässt sich die tatsächliche Beschaffenheit einer Piste objektiv erfassen – und vor allem: Wie kann man sicherstellen, dass nur dann beschneit wird, wenn es wirklich erforderlich ist? Ein Forschungsteam der FH Kufstein Tirol hat sich genau dieser Frage gewidmet. Das Ziel: die Entwicklung eines innovativen Messsystems, das verlässliche Aussagen über die tatsächliche Pistenqualität ermöglicht – und so dabei unterstützt, Beschneiungsprozesse bedarfsgerecht und ressourcensparend zu steuern.

Unter der Leitung von Sophia Brockschmidt, MSc, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Wirtschaftsingenieurwesen sowie Smart Products & AI-driven Development, entsteht aktuell ein sensorbasiertes System, das dazu beitragen soll, Skipisten zukunftsfähiger zu gestalten – sowohl im Hinblick auf Sicherheit als auch auf ökologische und wirtschaftliche Aspekte.

Im Gespräch mit Brockschmidt wird deutlich: Die intelligente Skipiste ist weit mehr als ein technisches Vorzeigeprojekt. Sie steht für eine interdisziplinäre Antwort auf die Herausforderungen des Klimawandels, für einen bewussten Umgang mit natürlichen Ressourcen und für ein neues Verständnis moderner Skipistenpflege.

„Unser Ziel ist es, ein System zu entwickeln, das nicht nur die Schneehöhe oder Lufttemperatur misst, sondern wirklich Auskunft über die Qualität und Struktur der gesamten Schneedecke geben kann“, erklärt Brockschmidt.

Denn ob eine Piste gefährlich vereist ist oder Schneemäuler entstehen, erkennt man mit bloßem Auge oft zu spät.

Sophia Brockschmidt, MSc

Wissenschaftliche Mitarbeiterin Wirtschaftsingenieurwesen, Smart Products & AI-driven Development

Eine Idee aus der Praxis – zurück in die Forschung

Die ursprüngliche Idee entwickelt sich aus einem Praxisprojekt im Rahmen des Masterstudiengangs Smart Products & Solutions. Bereits damals testeten Brockschmidt und ihre Kollegin Anna Moser erste Sensoren in Zusammenarbeit mit den Bergbahnen Fieberbrunn. Aus diesem Projekt entwickelte sich die heutige Forschungsinitiative, die nun vom Land Tirol gefördert wird.

Das zentrale Element: Ein IoT-basiertes System aus stationären und mobilen Sensoren, das unterschiedlichste Parameter – von Schneetemperatur und -feuchte bis hin zu Sonneneinstrahlung, Windrichtung oder Luftfeuchtigkeit – in Echtzeit erfasst. IoT steht für Internet of Things und bezeichnet die Vernetzung physischer Geräte – in diesem Fall Sensoren – über das Internet, um Daten automatisch zu erfassen, auszutauschen und zu analysieren.

Die Daten werden via Gateway an eine zentrale Cloud übertragen und dort für die Analyse aufbereitet. Eine eigens entwickelte Webplattform macht die Werte sichtbar – ein entscheidender Vorteil für Pistenmanager:innen und technische Teams.

„Was heute oft fehlt, ist ein vollständiges Bild der Pistenbedingungen – insbesondere in Rennpisten, wo es auf konstante Härte und Struktur ankommt“, so Brockschmidt.

Unsere Sensoren sollen nicht nur mehr Informationen liefern, sondern diese auch mobil und kompakt erfassbar machen – im besten Fall im Rucksackformat.

Sophia Brockschmidt, MSc

Wissenschaftliche Mitarbeiterin Wirtschaftsingenieurwesen, Smart Products & AI-driven Development

Dabei greift das Team auf Erfahrungen aus früheren IoT-Projekten im alpinen Raum zurück. Die FH Kufstein Tirol forscht seit Jahren an digitalen Anwendungen für den Outdoor-Bereich – mit dem Projekt Intelligente Skipiste wird dieses Know-how nun erstmals systematisch für den Wintersport gebündelt.

Nachhaltigkeit und Sicherheit im Fokus

Aktuell konzentriert sich das Team – neben Brockschmidt bestehend aus Bernarda Keßler, BSc, Bernhard Mandl, MSc, und Prof. (FH) Dipl.-Ing. Thomas Schmiedinger, PhD – auf die Entwicklung zweier Prototypen: einer kompakten Wetterstation, die am Reißenschuh getestet wird, und eines Temperaturprofilsensors, der über mehrere Messpunkte hinweg Daten zur inneren Struktur der Piste liefert.

Eine zentrale Herausforderung: Die Pistenqualität hängt nicht nur von äußeren Bedingungen ab. Besonders wichtig ist die Temperaturstruktur innerhalb der Schneeschichten – etwa für die Härte der Piste oder die Bildung von Eisplatten. Deshalb setzt das Team auf eine Sonde mit 16 Temperatursensoren, die im Abstand von fünf Zentimetern Messungen vornimmt.

Ein weiterer Prototyp ist die autonome Wetterstation. Diese wird speziell für schwer zugängliche Pistenbereiche konzipiert, die bisher nur unzureichend überwacht werden. Um auch Schnee als Niederschlag korrekt zu erfassen, kommt ein beheiztes Auffanggefäß zum Einsatz – es schmilzt die Flocken gezielt auf, ohne die Messergebnisse zu verfälschen.

Ein zentraler Aspekt dabei: Nachhaltigkeit. Wenn dank präziser Messwerte nur dann beschneit wird, wenn es wirklich nötig ist, spart das nicht nur Wasser und Energie, sondern auch hohe Kosten. Erste Erfahrungswerte aus der Branche zeigen, dass durch gezieltes Pistenmanagement mehrere Millionen Euro eingespart werden können – je nach Größe des Skigebiets.

Der Wintersport steht unter Druck – ökologisch und wirtschaftlich. Wir wollen mit unserer Forschung einen Beitrag leisten, wie Ressourcen effizienter genutzt und gleichzeitig die Pisten sicherer werden können.

Sophia Brockschmidt, MSc

Wissenschaftliche Mitarbeiterin Wirtschaftsingenieurwesen, Smart Products & AI-driven Development

Ein praktisches Beispiel für die starke Verbindung von Forschung und Anwendung ist die Zusammenarbeit mit Gitti Weber von Steinbach Alpin. Die langjährige Präparatorin internationaler Rennpisten gab dem Team wichtige Hinweise, worauf es in der Praxis wirklich ankommt – und half so, das Sensorsystem noch zielgerichteter zu entwickeln.

Von der Skipiste in die Zukunft

Neben der Skipiste denken die Forscher:innen das Projekt schon heute weiter: Die entwickelte IoT-Plattform soll künftig auch für andere alpine Anwendungen einsetzbar sein – etwa in der Biodiversitätsforschung, bei der Erfassung von Tierbewegungen oder zur Überwachung von Steinschlag- und Lawinenzonen.

„Unser System ist modular aufgebaut. Je nach Zielsetzung lassen sich die Sensoren individuell anpassen – etwa für die Schneewissenschaft, die Lawinenforschung oder auch den Artenschutz in hochalpinen Regionen“, erklärt Brockschmidt.

Die technische Basis bildet ein energiesparendes LoRa-Funknetzwerk, das auch in abgelegenen Bergregionen zuverlässige Datenübertragung ermöglicht. Die Stromversorgung erfolgt zunächst über Batterien – langfristig soll die Integration von Solarpaneelen getestet werden, wobei auch hier wieder Rücksicht auf mögliche Messverzerrungen durch Schattenwurf genommen werden muss.

Die Laufzeit des Projekts erstreckt sich von Oktober 2024 bis September 2026. Bis dahin sollen die geplanten Arbeitspakete – von der Konzeption und Prototypenentwicklung über die Versuchsphase bis hin zur Ergebnisverbreitung – abgeschlossen sein.

Doch das Interesse der Praxis ist jetzt schon groß: Erste Gespräche mit potenziellen Anwendungspartnern wie Arena und Kitz Consulting zeigen, dass das Projekt auf offene Ohren stößt.

Fazit: Wenn Forschung auf Schnee trifft

Das Projekt Intelligente Skipiste ist ein Musterbeispiel dafür, wie anwendungsnahe Forschung an der FH Kufstein Tirol funktioniert: nah an der Praxis, interdisziplinär aufgestellt und mit Blick auf gesellschaftlich relevante Themen. Es verbindet technische Innovationskraft mit einem starken ökologischen Anspruch – und zeigt eindrucksvoll, wie aus einem Praxisprojekt ein Stück Zukunft des alpinen Tourismus werden kann.

 

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