Was Führungskräfte von Kriminellen lernen können
- 20.05.2025
- News Studiengang

Dr. Shamir Rajadurai schöpft seine Erkenntnisse aus intensiven Gesprächen mit Kriminellen.
Detailgenauigkeit, Vertrauen, Resilienz: Was erfolgreiche Kriminelle auszeichnet, kann auch Manager:innen weiterbringen. Studierende der FH Kufstein Tirol entdeckten in einem außergewöhnlichen Vortrag sechs überraschende Erfolgsfaktoren.
Im Wintersemester 2024/25 erhielten Studierende des Studiengangs Unternehmensführung (neu: Leadership & Business Management) an der FH Kufstein Tirol einen ungewöhnlichen, dafür umso eindrucksvolleren Einblick in die Welt des Managements – durch die Perspektive eines Kriminologen. Der renommierte Kriminalpräventionsexperte Dr. Shamir Rajadurai aus Malaysia hielt im Dezember 2024 einen Online-Vortrag unter dem Titel From Crime to Wisdom: Lessons for Life & Management.
Ein Perspektivwechsel, der inspiriert
Organisiert wurde der Vortrag von Lektorin Katie Tropper im Rahmen der Lehrveranstaltung Unternehmenskommunikation. Für sie war klar: Die Denk- und Arbeitsweise von Menschen am Rande der Legalität kann faszinierende Rückschlüsse auf legitime Strategien im Wirtschaftsleben geben – insbesondere dann, wenn es um Themen wie Planung, Vertrauen, Kommunikation oder mentale Stärke geht. Tropper hatte Dr. Rajadurai im Mai 2024 auf einer Konferenz für ethisches Wirtschaften in Lissabon kennengelernt und ihn begeistert für ihre Lehrveranstaltung gewinnen können.

Dr. Shamir Rajadurai vermittelte sein Wissen und spannende Ansätze via MS-Teams.
„Sehr mitreißend wurden die Studierenden auf die Wichtigkeit der vorgestellten Prinzipien hingewiesen. Wenn das im 'Business Crime' möglich ist – warum dann nicht auch im legalen Business?“, kommentierte Tropper den Vortrag mit einem Augenzwinkern.
Sechs Erfolgsfaktoren mit unorthodoxer Herkunft
Dr. Rajadurai schöpft seine Erkenntnisse aus intensiven Gesprächen mit Kriminellen – darunter auch Hochkaräter, die in komplexe kriminelle Netzwerke eingebunden waren. Sein Ziel ist es nicht, Kriminalität zu glorifizieren, sondern aus ihrer Effizienz und Strategie zu lernen. Sechs Faktoren hebt er besonders hervor:
- Detailgenauigkeit: Kriminelle Handlungen scheitern selten an der großen Idee – sondern an schlecht durchdachten Details. Etwa: Wenn ein gefälschter Ausweis nicht perfekt ist, fliegt alles auf. Dieselbe Akribie brauche es auch im Business: Projekte gelingen, wenn sie konsequent bis ins kleinste Element durchdacht sind.
- Kreativität und Perspektivwechsel: Erfolgreiche Kriminelle denken out of the box – sie erkennen Markt- und Systemlücken, die anderen verborgen bleiben. Rajadurai empfiehlt, auch im unternehmerischen Kontext öfter herauszuzoomen, um größere Zusammenhänge zu sehen. Wo gibt es noch weiße Flecken? Welche unkonventionellen Wege könnten funktionieren?
- Zeitmanagement und Geduld: Kriminelle Operationen folgen präzisem Timing – der Fluchtwagen kommt nicht zu spät, der Zugriff erfolgt punktgenau. Gleichzeitig verfügen beispielsweise Hacker über extreme Geduld: Sie beobachten monatelang, bevor sie zuschlagen. Auch im Business zählt die Balance aus Pünktlichkeit und dem richtigen Moment für Entscheidungen.
- Vertrauen und Zugehörigkeit: Innerhalb krimineller Gruppen herrscht ein starkes Vertrauensverhältnis. Aufnahmeprüfungen und Rituale schaffen Zugehörigkeit. Rajadurai zieht den Vergleich zum Unternehmenskontext: Zugehörigkeit beginne am ersten Arbeitstag. Nur wer sich als Teil einer Gemeinschaft fühlt, handelt mit voller Motivation und Verantwortung.
- Effektive Kommunikation: In illegalen Netzwerken darf es keine Missverständnisse geben. Kommunikation muss klar, lückenlos und unabhängig von Sprache funktionieren. Rajadurai erzählt, wie in internationalen Banden nonverbal oder über kulturelle Barrieren hinweg effizient kommuniziert wird – ein Erfolgsfaktor, der in internationalen Unternehmen ebenso essenziell ist.
- Mentale Stärke: Während in der legalen Welt oft über Stress geklagt werde, sei Durchhaltevermögen im kriminellen Bereich eine Grundvoraussetzung. Ein Dieb, der wegen Stress nicht zum Einbruch erscheint, ist nicht überlebensfähig. In Rajadurais Augen braucht es mehr Eigenverantwortung und Resilienz im Alltag.
Zwischen Menschlichkeit und Pragmatismus
Trotz seiner Nähe zu kriminellen Milieus betont Rajadurai stets seine ethische Haltung. Er versteht sich nicht als Krimineller, sondern als Forscher mit einem tiefen Interesse an menschlichem Verhalten. Besonders beschäftigt ihn die Frage nach dem Wert eines menschlichen Lebens – und wie sich dieser jungen Menschen ohne moralisierende Ansätze vermitteln lässt.
Ein Beispiel: Anstatt zu sagen „Du darfst niemanden umbringen, sonst gehst du ins Gefängnis“, solle man erklären, warum das Leben eines Menschen wertvoll ist. „Nur so entsteht ein tieferes ethisches Verständnis“, so Rajadurai.
Auch die Rolle von Stadtplanung in der Kriminalprävention wurde kurz gestreift: Architektur, die dunkle Gassen oder uneinsehbare Winkel schafft, begünstigt Verbrechen. Rajadurai arbeitet mit Architekt:innen daran, urbane Räume sicherer zu gestalten – ein Bereich, in dem auch die interdisziplinäre Forschung Potenzial entfaltet.
Globaler Input für lokale Bildung
Für die FH Kufstein Tirol zeigt dieses Beispiel, wie internationale Expertise und praktische Relevanz gewinnbringend ineinandergreifen können. Die Integration solcher Formate ist nicht nur ein Mehrwert für die Studierenden, sondern zeigt auch die Offenheit der Hochschule, neue und ungewöhnliche Perspektiven in den Diskurs aufzunehmen.
Der Vortrag von Dr. Shamir Rajadurai war nicht nur ein Impuls für ein Umdenken, sondern auch ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie sich scheinbar fremde Welten – Kriminalität und Management – sinnvoll verbinden lassen, wenn man genau hinhört und bereit ist, dazuzulernen.
Links:
- Leadership & Business Management | vz
- Shamir Rajadurai | LinkedIn
- Katie Tropper | LinkedIn